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Blur: The Ballad Of Darren (Review)

Artist:

Blur

Blur: The Ballad Of Darren
Album:

The Ballad Of Darren

Medium: CD/LP/Download/Deluxe
Stil:

Artpop, Gitarrenpop, Rock, Britpop, Punkrock, Singer-Songwriter

Label: Parlophone/Warner Music
Spieldauer: 36:04 (Standard), 42:30 (Deluxe CD)
Erschienen: 21.07.2023
Website: [Link]

"Überaus entspannt" sei es gelaufen mit dem neuen Album, um das die Popwelt jetzt so ein Riesen-Bohei macht. Sagt einer, der es wissen muss, denn er ist Frontmann und Songwriter der Band, um die es hier geht. "The Ballad Of Darren" also, das überraschende Studio-Comeback der Britpop-Könige BLUR nach acht Jahren Pause, sei so entstanden, "als wenn vier Freunde gemeinsam Musik machen", erzählte Damon Albarn dem Kollegen Steffen Rüth vom "Piranha"-Magazin. "Wir hatten ja zwölf Jahre lang praktisch zusammengelebt, wir müssen nicht erst groß wieder miteinander warm werden. (...) Die Arbeit war wirklich von großer Toleranz und echter Liebe geprägt. Wir hatten Lust auf dieses neue Abenteuer, und das manifestiert sich auch in der Musik."

Recht hat er, der hyperaktive Sänger und Multiinstrumentalist von BLUR, den Gorillaz, The Good, The Bad & The Queen oder Rocket Juice & The Moon. Man hört es "The Ballad Of Darren" tatsächlich an, dass hier vier Männer mittleren Alters zusammenspielen, die weder vom schnöden Blick aufs Bankkonto noch von sonstigen schlechten Gründen motiviert werden mussten. Das Album ist von einer Reife, Frische, Experimentier- und Spielfreude sowie, ja, einem tiefen gegenseitigen Respekt durchzogen, wie man es selten findet bei solchen Top-Band-Reunions. Diese gut gealterten Britpop-Stars haben mit den zehn (in der überaus empfehlenswerten Deluxe-CD-Edition sogar zwölf) kompakten neuen Liedern alles aus sich herausgeholt.

Warum aber hat es dann doch so lange gedauert - das vorherige (ebenfalls tolle) Album "The Magic Whip" stammt ja aus dem Jahr 2015. "Der Zeitpunkt ist genau richtig", betonte Damon Albarn im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. Die Auszeit sei für BLUR absolut notwendig gewesen. "Graham und ich haben in der Schule angefangen", sagte der 55-Jährige über seinen alten Buddy an der Gitarre, Graham Coxon. "Man braucht große Pausen voneinander, damit einem überhaupt wieder klar wird, wo man herkommt. Wir waren auch einfach beschäftigt."

Das kann man wohl sagen - allein das vergangene Jahr war für die vier BLUR-Musiker ein äußerst arbeitsreiches. Drummer Dave Rowntree ließ einer Kommunalpolitiker-Karriere für die Labour Party im Januar das überzeugende Solowerk "Radio Days" folgen. Coxon veröffentlichte zusammen mit seiner Lebensgefährtin Rose Elinor Dougall einen sogar noch besseren Longplayer im Duo The Waeve sowie die spannende Autobiografie "Verse, Chorus, Monster". Bassist Alex James beschränkte sich zwar auf seine kompetente Edelkäse-Herstellung, war damit aber auch sehr erfolgreich. Und dann natürlich Albarn - allein für 2023 stehen in seiner Bilanz: eines der besten Gorillaz-Alben mit "Cracker Island", die Co-Produktion und prominente Teilnahme am Afrobeat-Funk-Pop-Meisterstück "London Ko" von Fatoumata Diawara aus Mali, und jetzt das von ihm maßgeblich vorangetriebene und geprägte Band-Comeback im Studio und auf den riesigen Bühnen.

Zweimal bespielten BLUR Anfang Juli das riesige Londoner Wembley-Stadion - mit jeweils 90 000 Zuschauern zwei komplett ausverkaufte Triumphzüge inklusive frischer Lieder. "Wir hatten halt vor einem Jahr diese Konzerte gebucht und keine Lust auf so eine klassische Nostalgieveranstaltung", sagte Albarn im "Piranha"-Interview. Ohne neue Songs hätten wir nicht richtig gewusst, warum wir eigentlich auf die Bühne gehen sollten. Dieses, wie ich ganz unbescheiden finde, hinreißende Album gibt uns nun die nötige Legitimation, wieder aufzutreten." Korrekt (und bitte bald auch in Deutschland)!

Von den neuen Stücken tauchten die sehr unterschiedlichen Single-Vorboten "The Narcissist" (hochmelodisch mit Krautrock-Einschlag) und "St. Charles Square" (gitarrenrockig mit Punkpop-Rotz) in den Wembley-Setlists auf. Wenn man jetzt das ganze Album hört, fällt ein besonderer Einfluss von Albarn und BLUR noch stärker auf: David Bowie. "Das trifft’s, auch wenn es keine bewusste Wahl war", sagte Albarn dazu lachend. Er habe zwar "seit Jahren nicht mehr Bowie gehört, ich brauche das auch nicht, weil ich es im Herzen trage" (...) Aber es ist halt so, ich sag’s ganz ehrlich: Manchmal denke ich, ein Teil von David Bowie lebt durch mich weiter.“ 

Zwei wichtige Informationen liefert bereits der Titel des neunten Studioalbums seit dem Debüt "Leisure" von 1991. Erstens ist "The Ballad Of Darren" eine liebenswerte Verbeugung vor einer Art Popmusik-Wasserträger – vor Darren “Smoggy” Evans, dem früheren Blur-Bodyguard, der jetzt für Albarn tätig ist. “Darren steht für viele Leute, ist aber auch eine konkrete Person”, erklärte der Sänger. Und zweitens ist dies, man ahnte es, ein ganz wunderbares Balladen-Album.

Schon der programmatische Opener "The Ballad" kommt als majestätischer Schleicher daher, in dem Albarn mit einem seiner schönsten Crooner-Vocals glänzt. Danach aber lassen BLUR im bereits erwähnten Kracher "St. Charles Square" mit schräger Coxon-Gitarre, bollerndem James-Bass, treibenden Rowntree-Drums und Albarns wüstem Geheul kurz die Sau raus. "Barbaric" ist ein sehr eingängiger, toller Popsong, der in ein dramatisches Strings-Finale mündet. "Russian Strings" und der Cohen-Tribute "The Everglades (For Leonard)" zeigen wieder die ruhige, melancholische Seite dieses famosen Quartetts.

Überhaupt liegt eine gewisse Schwermut über "The Ballad Of Darren", bis hin zum großen, prächtigen Finale mit "Far Away Island", "Avalon" und "The Heights". Das sieht Albarn genauso: "Ich finde es zutiefst melancholisch, nicht nur ein bisschen“, sagt er dem geschätzten dpa-Reporter Philip Dethlefs. Melancholie fasziniere ihn - und dass sich die Traurigkeit durch die Musik, die Melodie und die Worte kaschieren lasse. „Ich mag diesen Ort."

Neben den weiterhin spürbaren Einflüssen von BLUR - The Beatles, The Kinks und Ray Davies, Paul Weller, XTC - ist "The Ballad Of Darren" also eine gelungene, weil nie devote oder epigonale Verbeugung vor David Bowie geworden. Der Stil-Begriff "Britpop" hingegen hat sich wohl spätestens nach diesem meisterlichen Kurz-vor-Spätwerk erledigt. 

Wir erinnern uns: dieser von Medien massiv angeheizte Zweikampf "BLUR versus Oasis“ um die Insel-Pop-Krone, Mitte der 90er Jahre. Was hat sich seitdem in der Entwicklung der beiden ikonischen englischen Bands nicht alles getan. Dabei war die "Battle of Britpop" doch schnell entschieden – zugunsten von Albarn, Coxon, James und Rowntree, deren offenes Pop-Konzept schon nach den vier meisterlichen Alben „Parklife“ (1994), „The Great Escape“ (1995), „Blur“ (1997) und „13“ (1999)  im Vergleich zur Beatles/Slade-Fixierung von Oasis das ungleich spannendere war. Wie man als Band nach drei Dekaden würdig reift und altert, zeigen BLUR den tief zerstrittenen Gallagher-Brüder nun vom Feinsten mit "The Ballad Of Darren".

FAZIT: Wann hat man von BLUR je zeitlos schönere Lieder gehört als "The Narcissist", "Far Away Island", "The Heights" oder "The Swan" (Track 12 auf der Deluxe-CD)? Die einstigen Britpop-Champions sind in die Jahre gekommen, liefern bei ihrer unverhofften Live- und Studio-Rückkehr aber zum Glück keine altersbedingt träge Durchschnittsware ab. "The Ballad Of Darren" dürfte - und das muss eine Rockband mit so viel illustrer Geschichte heutzutage erstmal hinkriegen - am Ende des Jahres viele Bestenlisten zieren.

Werner Herpell (Info) (Review 3440x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • The Ballad
  • St. Charles Square
  • Barbaric
  • Russian Strings
  • The Everglades (For Leonard)
  • The Narcissist
  • Goodbye Albert
  • Far Away Island
  • Avalon
  • The Heights
  • The Rabbi (Bonustrack der Deluxe-CD)
  • The Swan (Bonustrack der Deluxe-CD)

Besetzung:

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